Was ist die Angst in der westlichen Welt?
Angst gehört neben Zorn, Freude, Besorgnis und Trauer zu den fünf Grundemotionen. Ängste und Panikattacken sind körperliche sowie emotionale Reaktionen unseres Körpers. Sie haben die Aufgabe uns zu schützen und sind lebensnotwendige Alarmreaktionen. In Gefahrensituationen, wenn z.B. ein hungriger Löwe vor einem steht, schüttet der Körper Adrenalin aus, das Herz schlägt schnell und man wird in Millisekunden die Entscheidung treffen zu kämpfen, oder so schnell wie möglich wegzulaufen.
Manche Leute suchen die Angst, weil sie den Kick genießen. Sie wollen diese Spannung und das Kribbeln spüren und scheuen kein Risiko. Z.B. Extremsportler*innen beim Fallschirmspringen, Freiklettern, alpinem Bergsport.
Bei einem Angstzustand oder einer Panikattacke beginnt das Herz von selbst schneller zu schlagen. Symptome wie Schwindel, Taubheitsgefühle, kalter Schweißausbruch, Zittern, Beklemmung, Atemnot, Übelkeit folgen. Es entsteht das Gefühl die Kontrolle über sich selber zu verlieren. Zunehmend mehr Menschen bekommen Angstzustände, die in Wirklichkeit nicht gefährlich sind.
Angststörungen
Menschen, die unter Ängsten leiden, glauben oft, nur sie hätten mit diesem Problem zu kämpfen. Die Wahrheit sieht jedoch anders aus. Gelegentliche Ängste gehören zum Leben dazu, doch für manche Menschen kann die Angst so groß werden, dass sie darunter leiden und ihren Alltag nicht mehr bewältigen können.
Alleine im deutschsprachigen Raum leiden mehr als 14 Millionen Menschen an einer Angststörung. Laut dem National Institute of Mental Health sind Angstzustände die häufigste psychische Erkrankung in den U.S.A. Mehr als 19 Millionen Menschen in der U.S.A leiden an einer Erkrankung in welcher Angst eine Rolle spielt.
Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) reiht und nennt die Angststörung in einer Klassifikation von Krankheiten (ICD – englisch: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems).
Mit Ausnahme der Suchterkrankungen, an denen Männer signifikant häufiger erkranken, sind Frauen zwei bis drei Mal mehr von psychischen Störungen betroffen. Angststörungen sind bei Frauen (noch vor Depressionen) die häufigste, bei Männern (nach dem Alkoholmissbrauch) die zweithäufigste psychische Störung.
Panikattacken
Ein panischer Anfall kann ganz spontan und unerwartet auftreten. Panikattacken sind keine psychische Störung. Panikattacken unterscheiden sich von anhaltenden Angststörungen durch die Dauer und das eigenständige Auftreten.
Eine Panikattacke beginnt abrupt, erreicht innerhalb von Minuten ihren Höhepunkt und dauert einige Minuten (meistens nicht länger als eine halbe Stunde).
Laut der ICD 10 Klassifikation gibt es mehrere Symptome für eine Panikattacke. Um von einer Panikattacke zu sprechen, müssen mindestens vier der folgenden Kriterien erfüllt sein.
1.Herzrasen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz
2.Schweißausbrüche
3.fein- oder grobmotorisches Zittern
4.Mundtrockenheit
5.Atembeschwerden
6.Beklemmungsgefühl
7.Schmerzen oder Missempfindungen in der Brust
8.Übelkeit oder Missempfindungen im Bauchraum (z.B. Unruhegefühl im Magen)
9.Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit
10.Gefühl, die Objekte der Umwelt sind unwirklich (Derealisation), oder man selbst ist weit entfernt oder „nicht wirklich hier“ (Depersonalisierung)
11.Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“
12.Angst zu sterben (als Reaktion auf die körperlichen Symptome)
13.Hitzewallungen oder Kälteschauer
14.Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle
Wie bereits erläutert passiert die erste Panikattacke unerwartet und plötzlich. Als Hintergrund für die erste Panikattacke gilt allgemein erhöhtes Stressniveau. Der Auslöser einer Panikattacke ist meistens eine aktuelle emotionale Belastung wie z.B. beruflicher oder familiärer Stress, Scheidung, Todesfall, Schulden, drohende Arbeitslosigkeit, Zukunftsängste, Trennungsängste, usw.
Für die Mehrheit der Betroffenen ist die erste Panikattacke ein schockierendes, traumatisierendes Erlebnis. Die Betroffenen fokussieren sich nach der ersten Panikattacke intensiv auf Reize und nehmen körperlichen Reaktionen intensiver wahr, sind sensibilisiert auf die Symptome und bestärken so die Angstgefühle. Schon eine kleine Körperwahrnehmung kann jetzt Panik und Vermeidungstaktik auslösen. Nachrichten von Katastrophen, Kriegen, Unfällen können neben der Furcht vor Schwäche und Kontrollverlust den beunruhigenden Angstzustand verstärken.
Behandlungsform der Schulmedizin
In der westlichen Medizin beruft sich die Behandlung von Angstgefühlen auf eine medikamentöse Einstellung der Betroffenen und einer Begleitung in Form einer Psychotherapie (bevorzugt Verhaltenstherapie). In dieser lernt der*die Betroffene, die Angst zu verstehen und wird begleitet und gezielt mit Ängsten konfrontiert (Konfrontationstherapie). Vermeidende Verhaltensweisen können auf dieser Grundlage bewusst korrigiert werden.
Zur medikamentösen Behandlung von Angststörungen werden heute Antidepressiva verwendet. Zum Einsatz kommen beispielsweise
selektive Serotonin - Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und
Serotonin – Noradrenalin - Wiederaufnahmehemmer (SNRI).
Was ist die Angst in der fernöstlichen Welt?
Angst ist eine wichtige Emotion, die bei Gefahren schützend wirkt, die wach und aufmerksam macht und in Extremsituationen sogar lebensrettend sein kann.
Die traditionelle chinesische Medizin differenziert zwischen den vielen Ursachen der Angst. Diese Ursachen lassen sich häufig nicht leicht aus der Welt schaffen. So kann die Angst zum Dauerzustand werden und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Die Angst ist untrennbar mit der Vergangenheit und Zukunft verbunden.
Es gibt verschiedenste Formen von Angst (z.B.):
Existenzangst, Angst zu sterben (Element Wasser)
Entscheidungsangst, Fehler zu machen (Element Holz)
Angst Anderen nicht gut genug zu sein (Element Erde)
Angst Kontrolle zu verlieren (Element Metall)
Trennungsangst (Element Metall)
Nervosität, Schreckhaftigkeit, Panikattacken (Element Feuer)
Soziale Angst (Element Feuer)
Die Symptome können vielfältig sein und es leiden in vielen Fällen Geist und Körper. Die Fähigkeit Angst wahrzunehmen ist grundsätzlich eine gesunde Reaktion des Menschen in bedrohlichen Situationen. Sie weckt alle Sinne, macht aufmerksam und fordert auf sich zu schützen. Werden regelmäßig solche Zustände durchlebt, die unerwartet und unkontrollierbar auftauchen, handelt es sich um Angstzustände oder Panikattacken. Der Mensch reagiert darauf mit Anspannung, Hektik, Panik, Gefühlen der Erstarrung bis hin zur Depression.
Physiologisch zeigen sich viele Symptome, vor allem im vegetativen Nervensystem z.B. schnellerer Puls, erhöhter Blutdruck, beeinträchtigte Atmung, Hitze-/Kälteschüben, Zittern, Schweißabsonderung, Durchfall, Harndrang, innere Unruhe, Schlaflosigkeit und Albträumen. Muskeln ziehen sich zusammen, können sich verhärten, die Brust wird enger und der Atem flacher, Kreislauf und Verdauung geraten ins Stocken, das Immunsystem wird geschwächt.
Psychologisch zeigt sich ein Gefühl von „Unwohlsein“. Betroffene fühlen sich als würden sie „den Verstand verlieren“, sprich verrückt werden, oder gar sterben müssen. Bei Angstzuständen richtet sich der Blick nach innen statt nach außen. Menschen ziehen sich zurück und vermeiden soziale Kontakte.
Energetisch gesehen steigt die Energie nach oben in den Brustbereich, Hals und Kopf. Menschen schildern Atemnot, Beklemmung, Schwindel oder das Absetzen der Energie in die Bauchregion (Hara). Betroffene beschreiben „Steine im Magen“ zu haben, ein Gefühl die Verbindung nach unten zu verlieren. Menschen verlieren die Erdung und Standfestigkeit im Leben. Es entwickelt sich das Gefühl „ausgeliefert“ zu sein und große Unsicherheit über sich selbst.
Im nächsten Kapitel werde ich anhand der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) die fünf Elemente beschreiben und wie die verschiedenen Angstformen in den Elementen aufgeteilt werden können.
Lehre der fünf Wandlungsphasen
Die Auseinandersetzung mit den fünf Elementen ist für Europäer*innen eine große Herausforderung, weil der kulturelle Hintergrund fehlt. Die Lehre der fünf Elemente ist keine wissenschaftliche Lehre nach europäischem Maßstab. Es gibt keine starren Diagnosen, sondern Prozesse mit unterschiedlichen Wechselwirkungen psychologischer wie physiologischer Art, die in der Behandlung oftmals Geduld und Ausdauer benötigen. Die verschiedenen Elemente oder Wandlungsphasen stehen zueinander in ständiger Wechselwirkung.
Wandlungsphase Metall
Die Jahreszeit Herbst wird der Wandlungsphase Metall zugeordnet. Die Farbe des Metall Elements ist weiß, der Geschmack ist scharf und der Geruch ist muffig und abgestanden. Das pathologische Klima des Metalls ist die Trockenheit.
Ordnung ist Struktur, Struktur ist Ordnung und Ordnung ist für einen Metalltyp weit mehr als das halbe Leben. Er überlässt ungern etwas dem Zufall.
Ein weiteres zentrales Thema des Metall Elements ist das Verhältnis von Nähe und Distanz. Metalltypen fällt es schwer, sich von etwas zu lösen, Dinge loszulassen. Die Emotion des Metalls ist die Trauer. Die Lunge (Yin) und der Dickdarm (Yang) sind die dem Metall zugeordneten Organe und stehen mit Austausch und Ausscheidung in Verbindung. Die Lunge nimmt die Essenz der Luft auf, während der Dickdarm gröbere Stoffe verarbeitet und ausscheidet. Beide Meridiane liegen dicht unter der Körperoberfläche und zeigen sich am deutlichsten über die Haut.
Die Angst im Metall
Die stärkste Angstform, die im Element Metall spürbar ist, ist die Angst die Kontrolle zu verlieren. Die Kontrolle von Ordnung und Struktur ist dem Metalltyp sehr wichtig. Eine Panikattacke kann willkürlich und ohne Vorankündigung auftreten. Es entsteht das Gefühl der Hilflosigkeit. Es gibt keine Möglichkeit diese Situation zu kontrollieren. Es tritt oft das unkontrollierte Gefühl psychisch krank, sprichwörtlich „verrückt“, zu werden auf.
Das Metall Element ist massiv überfordert, und es entsteht Kurzatmigkeit (Lunge) und ein verkrampftes Festhalten (Konzentration nach innen). Einem ausgeglichenen Metall Typ gelingt es in einer Panikattacke die Situation anzuerkennen und geschehen zu lassen (Anerkennen und Loslassen).
Eine zentrale Angstform des Metall Element ist die Angst vor Verlust. Das kann einerseits Trennung sein, der Verlust von nahestehenden Menschen oder das Lösen von materiellen Gütern.
Bei einem nicht verarbeiteten Trauerprozess erschöpft sich das Lungen Qi und es können hypochondrische Ängste (z.B. die Angst zu Sterben) entstehen. Die Angst wird erlebt als Gefühl von Enge im Brustkorb, Anspannung im Schulterbereich und subjektiver Atemnot, da das vollständige Loslassen im Ausatmen nicht möglich ist. Im Verlauf kann sich daraus Asthma entwickeln.
Im unausgeglichen Element Metall zeigt sich auch die Angst vor Nähe und Distanz. Betroffene bekommen ein Gefühl von Beklemmung und Atemnot bei Berührung oder Nähe von anderen Menschen. Unerwartete Nähe und Berührung können auch Trauer und Schluchzen auslösen.
Redewendungen wie „Raum brauchen“ oder „keinen Raum haben“ sind Ausdrucke des Metall Elements. Es können Ängste wie Klaustrophobie auftreten. Das Element Metall ist sozial, es bestimmt den Abstand zu anderen Menschen. Es zeigt den notwendigen Raum um sich in der eigenen Haut wohlzufühlen.
Wandlungsphase Erde
Die Jahreszeit der Erde ist der Spätsommer. Die Farbe des Elements Erde ist gelb oder braun, der Geschmack ist süß und der Geruch ist modrig. Das pathologische Klima dieses Element ist die Feuchtigkeit. Die Emotion der Erde ist Besorgnis und Sorge. Das zugeordnete Körpergewebe sind Muskeln, Bindegewebe und Fleisch.
Der Bauch, das Hara, wird als Mittelpunkt des Menschen gesehen. Im Zentrum liegt der Bauchnabel. „Der Erdtyp braucht Beständigkeit, Stabilität, Mitmenschlichkeit und Bodenständigkeit um einen fruchtbaren Acker dazustellen“.
Milz-Pankreas (Yin) und Magen (Yang) sind die dem Erd-Element zugeordneten Organe. Sie stehen mit den Funktionen Nahrungsaufnahme und Stoffwechsel in Verbindung.
Die Angst in der Erde
Die größte Angstform im Erdelement zeigt sich in der übertriebenen Sorge. Gedanken kreisen, ein immer wiederkehrender Monolog findet statt. Grübeln über mögliche Probleme in der Zukunft, die in aller Wahrscheinlichkeit gar nicht eintreten werden. Der Genuss des eigenen Lebens und die Selbstsicherheit gehen verloren. Die Betroffenen verlieren die eigene Bodenhaftung. Es wird buchstäblich der Boden unter den Füßen weggerissen und die Erdung geht verloren.
Gründe für ein schwaches Selbstwertgefühl liegen in der Zurückweisung des wahren Selbst. Das eigene Selbst ist ständig ängstlich und besorgt.
„Solange man vorgibt, etwas oder jemand zu sein, der nicht dem wahren Selbst entspricht, empfindet man Angst.“
Betroffene können keine Eigenverantwortung für ihr Handeln übernehmen. Ständiges Grübeln und Sorgen über Angehörige, andere Menschen, um die Gesundheit oder über irgendwelche unwahrscheinlichen Unglücksszenarien blockieren das Milz Qi und verursachen einen Mangelzustand. Diese Angstzustände zeigen sich körperlich vor allem im Bauchbereich. Zeichen sind Appetitlosigkeit, Verdauungsstörungen, Durchfall, Reizdarm, Müdigkeit und Schwächegefühl, Schlafstörungen durch Gedankenkreisen und Denkstörungen.
Wandlungsphase Feuer
Die Jahreszeit Sommer wird der Wandlungsphase Feuer zugeordnet. Die Farbe des Feuer Elements ist rot, der Geschmack ist bitter und der Geruch ist verbrannt. Das pathologische Klima des Feuers ist die Hitze. Das zugeordnete Körpergewebe sind Blutgefäße, die Körperflüssigkeit ist der Schweiß und der Glanz zeigt sich im Gesicht. Die Emotion von Feuer ist die Freude.
Herz (Yin) und Dünndarm (Yang) nehmen im Körper eine zentrale Position ein und können mit den Funktionen Umwandlung und Aufnahme beschrieben werden. Der Herz Meridian ordnet externe Reize mit den fünf Sinnen und steuert die Körperreaktion darauf. Der Dünndarm nimmt zugeführte Nahrung auf und wandelt sie in eine verwertbare Form wie Blut oder Gewebe um.
Herz-Kreislauf (Yin) und Dreifach-Wärmer (Yang) sind die sekundären Organe des Feuers. Der Wille des Herzens wird durch den Herz-Kreislauf Meridian in den ganzen Körper getragen und die Nährstoffe vom Dünndarm werden vom Dreifach-Wärmer verteilt. Dadurch wird der Körper aufgeladen und geschützt. Somit haben der Herz-Kreislauf und der Dreifach-Wärmer Meridian die Funktion des Kreislaufs und des Schutzes.
Der Dreifach-Wärmer koordiniert die Arbeit der Brennkammern und regelt die psychischen Schutzmechanismen bei Veränderungen. Speziell bei Reisen und großen Veränderungen wird dieser Meridian sehr belastet.
Der Herz-Kreislauf beschützt das Herz vor allen Aufregungen und traumatischen Erlebnissen und steht in enger Verbindung zum Herzbeutel, der sich als Beschützer des Herzens zeigt.
Die Angst im Feuer
Die Angst des Herzens äußert sich in Nervosität, Aufregung oder Panik und zeigt sich mit körperlichen Symptomen wie Schlaflosigkeit, Herzklopfen, Bluthochdruck, Unruhe und Nervosität. Solche ängstlichen Überreaktionen und plötzliches Erschrecken in harmlosen Alltagssituationen sieht die TCM als Störung des Herzens. Betroffen ist in erster Linie die Herzenergie. Diese Störungen des Herz -Meridians können als Verhärtung im Solarplexus auftreten. Das Element Feuer ist bei Angst und Panikzuständen blockiert. Es wird nicht gelebt und macht sich als Herzrasen und in Schweißausbrüchen bemerkbar.
Auch Angst in sozialen Situationen wird häufig dem Herzen zugeordnet. In diesem Fall fehlt einem Menschen die natürliche Abgrenzungsfähigkeit. Alles geht ihm*ihr direkt „zu Herzen“ und vor den daraus resultierenden möglichen Verletzungen oder der Einsamkeit fürchtet er*sie sich.
Die Angst zeigt sich in einer leerenden Herzenergie. So steht ein Herz-Qi-Mangel für eine chronisch-ängstliche und auch pessimistische Haltung (z.B. generalisierte Angststörung).
Eine weitere Angstform hat Fritz Perls (Psychotherapeut und Gründer der Gestalttherapie) in der Unterdrückung von positiven Gefühlen wie Freude beschrieben. Es gibt das Sprichwort „zum Lachen in den Keller gehen“ und in machen Familien ist Freude eine Sünde. Die Gründe können zum Beispiel religiöser oder abergläubischer Natur, oder auch Böswilligkeit und Missgunst sein. So lernen betroffene Menschen, dass sie Freude unterdrücken und in andere, leichter zu verbergende Erfahrungen umgestalten. In diesen Fall zeigt sich die Feueremotion Freude unterdrückt in der Angst.
Wandlungsphase Holz
Die Jahreszeit des Holzes ist der Frühling. Die Farbe des Elements Holz ist grün, der Geschmack ist sauer und der Geruch ist ranzig, säuerlich. Das pathologische Klima dieses Elements ist der Wind. Die Emotion von Holz ist der Zorn.
In der Wandlungsphase Holz ist der Sinn das „Sehen“ und das Sinnesorgan sind die Augen. Die Körperflüssigkeit sind die Tränen und das Gewebe sind Muskeln, Bänder und Sehnen. Die Lebensphase des Holzes ist in der Kindheit zu finden.
Die Aktivität von Holz ist nach oben ausgerichtet. Holz steht für geordnetes Wachstum und Entwicklung. Es verkörpert die jedem Menschen innewohnende Sehnsucht nach persönlicher, geistiger oder auch spiritueller Entwicklung. Wird diese Entwicklung blockiert, entsteht Spannung und Wut. Seelische und körperliche Erkrankungen gehen oft mit Blockaden der Entwicklungskraft des Holzes einher. Die positiven Eigenschaften vom Holz sind Geduld und Gelassenheit.
Gallenblase (Yang) und Leber (Yin) sind die der Wandlungsphase Holz zugeordneten Organe. Die Gallenblasen Energie zeigt sich in Willensstärke, Entschlossenheit und Entscheidungsfreudigkeit. Die traditionelle chinesische Medizin sieht in der Leber den „General“, der bestimmt wie die Nährstoffe zu verteilen und zu speichern sind. Die Gallenblase wird als „Offizier“ gesehen, der die Entscheidungen nach dem Willen vom „General“ Leber trifft.
Die Angst im Holz
Die Angst der Leber ist oft nicht als solche zu erkennen. Sie äußert sich als emotionale und körperliche Anspannung. Betroffene sind gehetzt, empfindlich, übersensibel, streitsüchtig, gereizt, jähzornig und oft sogar aggressiv.
Die Aufgabe der Leber ist die Harmonisierung innerer wie äußerer Lebensprozesse. Übernimmt die Leber diese Funktion nicht, entwickeln sich Probleme, wie Unflexibilität und Unspontanität (Steifheit) gegenüber auftretenden Lebensumständen. Hält dieser Zustand an, entsteht Angst vor dem Leben und Entscheidungen. Irrationale Gedanken, Sorgen um Details und die daraus folgende Entscheidungsangst zählen zu der größten Angstform des Holzes.
Hinzu kommt die Angst, Fehler zu machen. Der Mensch fühlt sich in die Enge getrieben, der innere Druck äußert sich jedoch wegen des entstehenden Blutes und Yin-Mangels nicht in „Angriff“ mit Wut und Aggression, sondern findet sein Ventil nur in „Flucht“ mit Angst und Panik. Körperliche Symptome zeigen sich in muskulärer Anspannung besonders im Hals-Schulter- Bereich: Hier sitzt die Angst förmlich im Nacken (Gallenblase Meridian). Es ist auch die Angst um den eigenen Lebensraum und vor Überwältigung.
Wandlungsphase Wasser
Die Jahreszeit Winter wird der Wandlungsphase Wasser zugeordnet. Die Farbe des Wasser Elements ist blau, der Geschmack ist salzig und der Geruch ist faulig und verwesend. Das pathologische Klima des Wassers ist die Kälte. Die Emotion von Wasser ist die Angst.
In der Wandlungsphase Wasser ist der Sinn das „Hören“ und das Sinnesorgan sind die Ohren. Die Körperflüssigkeit ist der Urin und das Gewebe sind Knochen und Zähne.
Auf körperlicher Ebene nährt die Wasserenergie Zähne und Knochen, regiert die Nerven, beeinflusst die Hormonbildung und somit auch die Fortpflanzung.
Das Wasser stellt die Ruhe und Stille in sich dar. In der Ruhe liegt die Kraft des Menschen. Das Wasser Element ist die Grundlage aller anderen Elemente und Organe. Ein gesundes Wasser ist so die Grundlage für die Gesundheit aller anderen Phasen.
Die zugehörigen Organe sind Blase (Yang) und Nieren (Yin). Die westliche Medizin sieht die Hauptfunktion der Nieren in der Harnproduktion und gleichzeitig in der Verarbeitung von Giftstoffen (z.B. Blutreinigung) sowie Zufuhr von Stoffwechselprodukten für andere Organe. Die chinesische Medizin sieht neben der Leber die Niere als wichtigstes Organ. Nieren, Nebennieren und Blase steuern lebenserhaltende Energien im ganzen Körper und sind zuständig für das vegetative, autonome Nervensystem und die Steuerung der Fortpflanzungsorgane und des Hormonsystems (einschließlich Sexualhormonen und Umgang auf Stress).
Niere und Blase bilden das Yin – Yang Paar in der Wandlungsphase Wasser. Die Nieren Energie stellt sich hierbei ins Zentrum, und die Blasen Energie nimmt eine ausführende Position ein.
Wilfried Rappenecker beschreibt, dass die Yin Niere die vitale Essenz speichert. Die vitale Essenz ist die Kraft der Existenz, die den Ablauf des körperlichen Lebens von Geburt bis zum Tod steuert. Ist die Kraft der Yin Niere erschöpft, was normalerweise erst im hohen Alter passiert, stirbt man. Die Yang Niere ist die Yang Wurzel aller Organe und des Menschen und die Yang Kraft erwärmt und kräftigt den Menschen.
Die Richtung der Wandlungsphase Wasser wirkt stark nach unten. Diese Kraft stärkt den Kontakt zum Boden, verwurzelt und erdet. Eine starke Wasserenergie zeigt sich in Lebenswillen und Mut sowie in Tugenden wie ruhig, ernsthaft, achtsam, ehrlich, neugierig und auch feinfühlig zu sein.
Die Angst im Wasser
Wie bereits im vorhergehenden Kapitel erläutert, hat der Zustand des Wasserelements als Grundelement Einfluss auf die anderen Elemente. Zusätzlich ist die Grundemotion des Wassers die Angst. Beide Faktoren zeigen, dass bei jeder auftretenden Form von Angst, der Zustand des Wassers sehr entscheidend ist.
Die Angst des Wassers ist die existenzielle Urangst, die an die Wurzel (oder Substanz) geht und das innere des Menschen berührt. Die Nierenenergie steht für die vitale Essenz (Jing) und wird durch eine frühe außergewöhnliche Gefährdung während der Schwangerschaft oder frühen Kindheit geschwächt. Ursachen können auch spätere traumatisierende Ereignisse (z.B. Missbrauch, Unfall, schockierende emotionale Erfahrung) sein. Oft sind diese Erinnerungen ins Unbewusste verdrängt und tief im Wasserelement gespeichert.
Das Jing kann auch durch einen chronischen Drogenkonsum, Überarbeitung (Workaholics), ständige Überforderung, Junkfood oder durch übermäßiges Sexualleben geschädigt werden.
Menschen, die ihr Leben lang, Tag und vor allem bei Nacht, chronische Angst in sich tragen, sind Menschen, bei denen die Wandlungsphase Wasser bereits im Mutterleib grundlegend geschädigt wurde. Eine Schädigung des Wassers macht die Betroffenen anfällig für verschiedenste Formen von Angst. Eine Schädigung des Wasserelements ist somit die Grundvoraussetzung für eine chronische Angstform.
Störungen des Wassers zeigen sich in der Entwurzelung (den Boden unter den Füßen verlieren), als Immobilität (Starr vor Angst) oder als energetische Abwärtsbewegung (sich vor Angst in die Hose machen).
Wie bereits oben erwähnt ist das Wasser die Wurzel aller anderen Elemente. Der Blasenmeridian wird mit Einfluss auf das autonome Nervensystem in Verbindung gebracht. Da das autonome, vegetative Nervensystem sich nicht steuern lässt, weil es autonom arbeitet, sind Störungen daher sehr beängstigend und gehen an die Substanz.
Zeigt die Nierenenergie sich schwach, fehlt es an Mut und Überlebenswillen. Betroffene Menschen werden ängstlich und zeigen Ängste verschiedenster Herkunft. Die Angst des Wassers zeigt sich daher in der
Angst der Erde (ständiges Grübeln um die eigene Existenz).
Angst des Metalls (Gefühl alles fest im Griff haben zu müssen).
Angst des Feuers (Nähe und Distanz zum Herzen).
Angst des Holzes (fehlende, notwendige Entscheidungskraft).
Extreme Angst kann sich in unfreiwilligem Harnabgang (Inkontinenz) zeigen. Diese Folgeerscheinung tritt vor allem bei Kindern häufig auf.
Furcht, sagen Mediziner*innen der TCM, ist eine Emotion, die zu den Nieren hinabsteigt, während Angst eine Emotion ist, die zum Herzen aufsteigt. Plötzliche, erschreckende Angst schädigt, wie schon genannt, das Herz und die Feuer Energie. Chronische Angst schädigt die Nieren und Blasenenergie (Wasser).
Bei einer Angststörung funktioniert das nicht mehr. Es kommt zu einem heftigen „Waldbrand“ (das Wasser ist zu schwach um das Feuer zu kontrollieren) und die Angst scheint übermächtig und nicht mehr bewältigbar (das Wasser stagniert).
Symptome sind dann neben der Angst, große Unruhe, Palpitationen, Schlafstörung, Hitzewallungen, Schwindel, Tinnitus.
Behandlungsformen
Der westliche Ansatz setzt auf Psychotherapie in Begleitung mit Medikation. Fernöstlichen Heilmethoden liegen ganzheitliche Behandlungskonzepte zugrunde, die keine Trennung zwischen Geist und Körper vornehmen. Es werden keine Psychopharmaka verabreicht, sondern es wird versucht, die körpereigenen Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Bei sämtlichen Angstformen spielt die Wasserenergie eine zentrale Rolle, und sollte unbedingt bei jeder Behandlung beachtet werden.
Um die vitale Essenz zu erhalten braucht es eine ausgewogene Mischung zwischen Kraftaufwand (Spannung) und Ruhepausen (Entspannung). Der Winter sollte die ruhigste Zeit im Jahr sein. Eine Zeit der Erholung um für das restliche Jahr genügend Essenz zur Verfügung zu haben. Diese harmonische Mischung ist in unserer westlichen Welt immer schwerer möglich. Einfache Mittel um die Essenz der Niere (Jing) zu unterstützen sind:
Do In, Qi Gong, Tai Chi
Hara Pflege
Zen Mediation oder andere Meditationsformen
bewusste Ernährung in angenehmem Umfeld
Bewegung an der frischen Luft
Atemübungen, Atembetrachtung
Neben genannten Behandlungsformen gibt es Möglichkeiten zur Erhaltung unseres Jing durch Kräuter aus der TCM, Akupunkturbehandlungen oder über Körpertherapieformen wie Shiatsu.
Shiatsu
Shiatsu ist eine manuelle Körpertherapie und stammt aus Japan. Shiatsu bedeutet übersetzt "Fingerdruck". Durch achtsame Berührung mit Finger, Ellbogen, Knien und Füßen an verschiedenen Punkten am Körper wird der natürliche Energiefluss im Körper angeregt und unterstützt.
Dabei können auf sanfte Weise Blockaden und Stagnation im Körper gelöst werden. Ziel ist es Spannungs- und Schwächezustände im Körper auszugleichen und auf diese Weise die Selbstheilung zu aktivieren. Dabei nützt Shiatsu Techniken wie Rocking, Stretches, faszielle Dehnungen und andere Mobilisationstechniken. Weiters nützt Shiatsu die Aktivierung der Energie- oder Meridianbahnen, die den Körper wie ein Netzwerk von energetischen Bahnen durchströmen. Vergleichbar wie ein Straßennetz überziehen die Meridiane den Körper und das strömende Qi (Lebensenergie) kann an bestimmten Stellen zum Stau oder zur Leere kommen. Bei Stau oder Fülle spricht man von Jitsu – Punkten. Fließt wenig Qi, dann handelt es sich um Zustände von Leere, die man Kyo - Punkte nennt.
Es sollte ein Ausgleich beider Zustände erfolgen und eine gleichmäßige Verteilung des Qi Fluss im Körper passieren. Somit kann die Energie frei und ungehindert fließen, es entsteht ein Wohlbefinden auf physischer, geistiger und emotionaler Ebene.
Shiatsu begleitet und unterstützt Menschen in ihren emotionalen und körperlichen Prozessen. Shiatsu dient unter anderem dazu den Körper vom Sympatikus in den Parasympatikus zu bringen um dabei seine Selbstheilungskräfte zu aktivieren.
Die Sitzung erfolgt in der Regel auf einem am Boden liegenden Futon, kann aber auch auf Massagetischen, -sesseln oder in angepassten Positionen stattfinden. Mittels eines Anamnese Gesprächs, sowie durch Betrachten und Abtasten entsteht für den*die Therapeut*in ein Bild des energetischen und körperlichen Zustandes, wonach er*sie die Behandlungsschritte richtet.
Shiatsu bei Menschen mit Angst
Ein besonders wichtiger Aspekt bei der Behandlung von Angst ist ein vertrauensvoller Rahmen. Der Mensch soll einen sicheren, geschützten Raum wahrnehmen. Shiatsu hat große Wirksamkeit bei Angst - Symptomen. Klient*innen mit Angstzuständen und Panikattacken können mit Shiatsu gut unterstützt werden. Empfehlenswert ist darüber hinaus eine ärztliche und/ oder psychotherapeutische Begleitung.
Angst frisst Vitalität. Menschen sind im Denken, Handeln, Wahrnehmen eingeengt und in sich gekehrt. Die dauerhafte Mobilisierung von Überlebenskräften schwächt die Lebensenergie. Die achtsame Berührung mit Shiatsu Techniken ermöglicht den energetischen Ausgleich und fördert die Ressourcen, das Potential und die Selbstregulierung dieser Menschen.
Shiatsu versucht nicht symptombezogen zu bleiben, sondern die Ursache zu entdecken, das ganze Wesen des Menschen zu erfassen und dessen Entfaltung zu unterstützen. Die Berührung während der Shiatsu Behandlung ermöglicht Selbstwahrnehmung, und erst durch eigene Körperwahrnehmung kann auch Veränderung eintreten. Wesentlich bei der Überwindung von Angstzuständen und Panikattacken ist die Integration im Körper (Anerkennen und Loslassen). Genau dieser Prozess kann bei Shiatsu passieren. Die Signale des Körpers werden gehört, wahrgenommen, akzeptiert und aufgelöst.
Gesundheit spiegelt sich im Ausgleich zwischen Anspannung und Entspannung. Menschen mit Angstzuständen sind meist körperlich chronisch übererregt und können darum eine gesunde, natürliche Balance zwischen Aktivität und Ruhe nicht mehr wahrnehmen und umsetzen.
Ein vertrauensvolles, empathisches Begleiten des*der Shiatsu Therapeut*in kann für Ruhe und Boden unter den Füßen (Erdung) sorgen. Nerven, Muskeln und Atmung können entspannen,
Sinneswahrnehmungen und Gedanken kommen in Einklang. Vertrauen in sich selbst kann aufgebaut werden. Der Fokus liegt nicht auf dem Angst Phänomen, sondern auf den Potentialen und Ressourcen. Im Berühren wird energetisch vermittelt: "Du bist in Ordnung". Hier bieten sich neben der wertschätzenden Berührung der Meridiane, besonders die Akupressurpunkte, verschiedenste faszielle und strukturelle Methoden/Techniken, Moxibustion, Chakrenarbeit sowie Entspannungsmethoden zum Ausgleich an. So entsteht körperliches Wohlbefinden, seelische und emotionale Zufriedenheit und Stabilität.
Unterstützende Akupressurpunkte, Tsubus
Punkte Anwendung bei
Lu 1
öffnet den Atem bei flacher Atmung, hilft loszulassen und
beruhigt, Depression
Lu 7
Atemnot, wichtigster Fernpunkt bei Atemwegserkrankungen
3E 4
wichtig für den Gesundheitszustand, Vitalität, Los lassen
(geistig)
He 7
Tor des Herzens, Tor des Bewusstseins, Herzrasen, Nervosität,
Schlaflosigkeit, Unruhe
He 9
Schock, Angina Pectoris, Herzrhythmusstörungen
Dü 8
Macht das Hara warm, beruhigend bei Fülle im Feuer, Anspannung, Herzklopfen
HK 7
Prüfungsangst, Angstzustände, Unruhe
KG 14
bei allen Qi Mängeln zu behandeln, Anspannung, Unruhe, Nervosität
Yin Tang
Drittes Auge, beruhigt den Körper, unterstützt die Intuition und innere Balance
Ni 27
los lassen von Nieren Angst, beruhigt
Ni 1
wirkungsvoll für tiefe Entspannung, bringt das Qi vom Kopf in die Beine, wärmt die Füße und stellt den Kontakt mit dem Boden, mit dem Körper her, erdet bei Angstzuständen, Schwindelgefühle, Schock, Angstzustände
Ni 11
Schmerzen im Unterbauch, Reizblase, Ängste
Ma 36
Wichtiger Energiepunkt, stärkt, erdet, bringt die Energie nach unten, Verbindung mit der Erde, Tor der Ausdauer und Vitalität
Vagus Nerv
In diesem Kapitel beschreibe ich die zentrale Bedeutung des Vagus Nerv und den Zusammenhang mit den Symptomen von Angstpatient*innen. Weiters stelle ich eine Übung zur Aktivierung des Vagus Nerv vor.
Der „Nervus vagus“ wird auch zehnter Hirnnerv von zwölf Hirnnerven genannt. Der Vagus Nerv ist der größte Nerv des Parasympathikus und an der Regulation der Tätigkeit fast aller inneren Organe beteiligt. Der Vagus Nerv ist der Gegenspieler von Stress und sorgt für Entspannung. Er beginnt im Gehirn, verläuft durch den Hals, erstreckt sich über den Brustraum, spaltet sich in linken und rechten Vagus und führt zu Herz, Lunge, Magen, Bauchspeicheldrüse, Darm etc.
Unser vegetatives Nervensystem besteht aus dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Es wird zwischen einem hinteren und vorderen Vagusnerv unterschieden. Der Vordere hat die Aufgaben Selbstheilung, Erholung, Verdauung, Kontakt und Kommunikation. Ein aktiver vorderer Vagus zeigt sich bei einem gesunden Menschen. Ist dieser aber überfordert, wird der Sympathikus aktiviert, der Organismus geht über in den Modus „Kampf oder Flucht“. Ist die Situation jedoch so extrem, dass es nicht mehr ausreicht zu kämpfen oder zu fliehen, wird der hintere Vagus Nerv aktiv. Dies führt zu Rückzug, Distanzierung und Stilllegung.
Bei Angstpatient*innen ist das Ziel das autonome Nervensystem so weit zu bringen, dass die Aktivität des Sympathikus oder des hinteren Vagus Nerv beendet wird, der vordere Vagus Nerv aktiv wird und es zu einem entspannten parasympathischen Zustand kommt. Dazu gibt es eine Grundübung, die jede*r Klient*in in kurzer Zeit zu Hause machen kann und dabei unterstützt, die Angst- oder Paniksituation zu beenden.
Die Grundübung
Ziel dieser Übung ist die Halswirbel C1 und C2 in die richtige Position zu bringen, was zu einer Vergrößerung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule führt. Diese wiederum fördert die Durchblutung des Hirnstamms und wirkt sich positiv auf den vorderen Vagus Nerv aus.
Man liegt am Rücken und verschränkt die Finger am Bauch.
Man legt die Hände unter den Hinterkopf, wobei das Gewicht bequem auf den verschränkten Fingern liegt. Man sollte die Härte des Schädels mit den Fingerknochen spüren.
Kopf wird nicht bewegt. Man blickt nach rechts und bewegt nur die Augen soweit es möglich ist. (wichtig nicht den Kopf, nur die Augen bewegen)
Nach 30 bis 60 Sekunden wird man schlucken, gähnen, seufzen, oder der Magen gurgelt. Das ist ein Zeichen für eine Entspannung des autonomen Nervensystems.
Die Augen wieder zur Mitte führen und gerade ausschauen.
Jetzt bewegt man die Augen auf die linke Seite bis man seufzt, gähnt schluckt, oder der Magen gurgelt.
Übung ist beendet, Hände lösen und aufsitzen.
Wege aus der Angst - Selbsthilfe
Dieses Kapitel widmet sich den Selbstheilungsfähigkeiten und beschreibt, was Menschen mit Angstgefühlen selbst machen können, um ihre Angstsymptomatik zu lindern. Wie bereits beschrieben, zeigen Menschen mit Angststörung oftmals eine Imbalance zwischen Anspannung und Entspannung. Energetisch ist hier die Wasser Energie von zentraler Bedeutung. Menschen mit Angstgefühlen wenden sich mehr ins Innere und ziehen sich zurück. Sie meiden soziale Kontakte, Gespräche und freudige, spaßige Momente werden seltener. Die Angst gewinnt mehr an Raum. Enorm wichtig ist es, über die Ängste mit professioneller Hilfe oder einem vertrauten Menschen zu sprechen. Wichtig ist zu lernen, die Ängste zu akzeptieren, zuzulassen und sich bewusst damit auseinander zu setzen.
Ein wesentlicher Faktor zur Vorbeugung und Behandlung von Panikattacken und Angstzuständen ist Bewegung. Die Angst steckt im Körper fest und braucht die Bewegung, um entweichen zu können. Dazu zählt vor allem die Bewegung an der frischen Luft und in der Natur. Die Art der Bewegung ist dabei nebensächlich, sie soll Freude und Spaß bereiten und frei von Leistungsdruck stattfinden. Anfänglich kann die Bewegung draußen ängstlich und unsicher machen, doch im Laufe der Zeit kann sich die Bewegung in der Natur als unersetzlich zeigen.
Andere Aktivitäten wie Yoga, Tanzen, Tai Chi, Malen, Mediationen, usw. sind ebenfalls sehr förderlich für die Gesundheit und für den Qi Fluss im Wasser Element (Nieren und Blasen Meridian). Es entsteht eine Sensibilisierung der Körperwahrnehmung, eine Verbesserung der Selbsteinschätzung und Steigerung des Selbstwerts.
Menschen mit Angstgefühlen sollen darauf achten, dass sie einen gesunden erholsamen Schlaf haben, damit der Körper sich entspannen und zur Ruhe finden kann. Menschen mit Einschlafproblemen sollen achten, dass sie ein Abendritual zum Schlafen gehen haben, Stress meiden, Entspannungsübungen (z.B. Entspannungsgeschichten, Mediation, Yoga, Qi Gong) anwenden. Ein geregelter Schlafrhythmus sorgt für Selbstheilung, Erholung und Gesundheit.
Übungen
Meridiandehnübung Makkoho Element Wasser (Nieren und Blasen Meridian)
Man sitzt im Langsitz mit ausgestreckten Beinen am Boden. Mit der Einatmung Oberkörper lang machen. Hände sind mit Handflächen nach außen nach oben gestreckt. Mit der Ausatmung den Oberkörper aus der Hüfte heraus nach vorne sinken lassen. Nur so weit es ohne Schmerz geht. Ein leichtes Ziehen an der Rückseite darf sein. Hände sinken mit Handflächen nach außen nach unten Richtung Füße. Diese müssen aber nicht berührt werden. Ein leichtes Ziehen an der Rückseite der Füße ist zu spüren.
Zazen Mediation, Atembetrachtung
Die Zazen Mediation ist eine Sitzmediation aus dem Zen Buddhismus. Es geht darum den eigenen Atem wertfrei wahrzunehmen und nichts verändern oder kontrollieren zu wollen. Zazen Meditation kann auf einem Stuhl, auf einem Kissen oder im Seiza Sitz praktiziert werden.
Mit halb geöffneten Augen legt man die Aufmerksamkeit auf die Atmung und aller ihrer Bewegungen (freier Fluss des Atmens). Eine aufrechte Haltung sollte während der ganzen Meditation behalten werden.
Weitere Übungen oder Methoden für eine Verbesserung des emotionalen und körperlichen Zustands von Menschen mit Angstgefühlen sind:
Nierenkompressen
Hautschruppen
heißes Fußbad
Körper warmhalten
Entspannungsmethoden (Hörbücher, Phantasiereisen,...)
progressive Muskelentspannung nach Jacobson
Während einer Panikattacke ist es wichtig, sich auf die Atmung zu konzentrieren. Aufrecht hinsetzen, und gleichmäßig ruhig ein und ausatmen. Eine Panikattacke ist nicht lebensbedrohlich. Betroffene sollen sich daran erinnern, dass ihnen nichts passieren wird und die Symptome nach wenigen Minuten nachlassen.
In diesem Zeitraum Daumen und Zeigefinger auf die Akupressurpunkte gleichzeitig drücken. Diese beiden Punkte stabilisieren das Herz Kreislaufsystem.
Akupressurpunkte Lage
3E 4
befindet sich in der Mitte der Handgelenksfalte auf dem Handrücken.
HK 7
befindet sich in der Mitte des Handgelenks auf Handinnenseite.
Ernährung
Man kann mit Ernährung Geist und Körper auch in Angstphasen enorm unterstützen. Eine ausgewogene Ernährung, also möglichst viel frisch gekochtes Gemüse (Wurzel-Wintergemüse), Reis, Getreide (ganzes Korn), Samen, Hülsenfrüchte (Schwarze Bohnen, Schwarzer Sesam, Mohn,...), Obst und wenig tierische Lebensmittel, sind das Fundament der Ernährung. Dazu kann man fermentierte Würzmittel wie Miso, Shoyo geben. Die Speisen sollten gut gekocht (eventuell doppelt gekocht) sein.
Durch viel Trinken, mindestens 3 – 4 Liter Wasser pro Tag, bringt man gestaute Energie wieder zum Fließen. Es sollte darauf geachtet werden, dass koffeinhaltige, aufputschende Getränke (Kaffee, Schwarztee, Cola, Energydrinks) sowie Alkohol eher vermieden werden, weil sie die auftretenden Symptome einer Panikattacke oder Angstsituation fördern können.
Auf kalte Lebensmittel oder Getränke, rohe Lebensmittel, süße Lebensmittel, viel tierisches Eiweiß sowie viel Salz sollte verzichtet werden. Die Portionen sollten nicht zu groß sein, besonders am Abend sollte man noch weniger essen.
Es ist förderlich, sich bewusst dem Essen zu widmen und sich Zeit dafür einzuplanen. Das Essen sollte ohne Ablenkung mit Genuss zu sich genommen werden.
Rezept für einen Nieren Heiltrunk:
2 kleingeschnittene Shitakipilze (1 Teil)
Azuki - Bohnen oder schwarze Bohnen (1,5- 2 Teile)
Bier-, oder Daikonrettich (2-2-,5 Teile)
mit 4 x so viel Wasser 30 Minuten köcheln
Sud warm trinken, kann man im Kühlschrank ca. 5 Tage aufheben – aufwärmen, warm trinken.
10 Tage jeden Tag, nicht zu Mahlzeiten, dann alle 2 Monate wiederholen
Fazit/Conclusio
Das Ungleichgewicht von Ruhe und Aktivität ist ein wesentlicher Aspekt in der Arbeit mit Menschen mit Angststörungen. Durch Dauerstress, körperliche und emotionale Überreizung verlieren Menschen das Bewusstsein für ihre eigene Körperwahrnehmung. Sie kommen nicht mehr zur Ruhe, gehen massiv über ihre eigenen Grenzen und erkennen die körperlichen sowie emotionalen Alarmsignale nicht mehr. Solche Signale können Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, unregelmäßigem Essen sowie Getriebenheit und Besessenheit sein. Signale können auch chronische Müdigkeit, innerlichen Unruhe oder Aggression sein.
Die westliche Medizin bekämpft diese Symptome mit Medikation und Therapie. Meiner Erfahrung nach kann es für die Behandlung von akuten Angstsituationen sinnvoll sein, anfänglich Medikamente einzunehmen, weil Betroffene oftmals nicht in der Lage sind selbst aus der Angstspirale und bewusst zur Ruhe zu kommen. Wichtig ist es sich zeitgleich der Angst zu stellen und sich mit dem bedrohlichen Gefühl auseinanderzusetzen. Als Vorbereitung um sich der Angst stellen zu können, ist es wesentlich wieder Vertrauen in den eigenen Körper aufzubauen und ein unterstützendes Umfeld (privat sowie professionell) zu haben. Dazu sind offene und respektvolle Berührungen des Shiatsu unterstützend und bestärkend.
Über mich:
Michael Mayrhuber, dipl. Shiatsu Pratiker in Innsbruck, habe meine Shiatsu Ausbildung beim ISSÖ - Internationale Shiatsu Schule Österreich abgeschlossen, biete Shiatsu im Centrum am Inn und an der ISSÖ in Innsbruck an. Neben einer Shiatsu Massage in Innsbruck biete ich noch Cranio Sacral, Schröpfen, Moxen, Babyshiatsu, Do-In und Hundeshiatsu an. Tel.:+436508103314 Web: shiatsu-mima.at Mail: shiatsu-mima@gmx.at
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